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Richtlinie zur Begutachtung von Cannabinoiden überarbeitet

Der Medizinische Dienst Bund hat die Richtlinie „Begutachtungsanleitung Sozialmedizinische Begutachtung von Cannabinoiden nach § 31 Absatz 6 SGB V“ überarbeitet. Die Richtlinie wurde am 18. September 2023 vom Medizinischen Dienst Bund erlassen und am 2. April 2024 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) genehmigt. Sie tritt am 26. April 2024 in Kraft.

Die Überarbeitung der Richtlinie war unter anderem aufgrund der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) vom 10. November 2022 notwendig geworden. Darin hatte das BSG den für die Begutachtung bei Cannabinoid-Verordnungen wichtigen Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ näher konkretisiert und klargestellt, dass von einer schwerwiegenden Erkrankung auszugehen ist, wenn diese die Lebensqualität auf Dauer (mindestens 6 Monate) nachhaltig beeinträchtigt. Für die Beurteilung der Lebensqualität sei weniger auf die ärztlich festgestellte Diagnose, als vielmehr auf die Auswirkungen der Erkrankung auf die Aktivitäten und die Teilhabe abzustellen. Um diese Auswirkungen einzuschätzen, solle der Grad der Schädigungsfolgen (GDS) herangezogen werden. Entsprechend sieht die Begutachtungsanleitung (BGA) vor, die durch die Erkrankung hervorgerufenen Funktionsstörungen und -verluste sowie Schmerzen, Schwäche und den Hilfebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens, welche die Lebensqualität dauerhaft beeinträchtigen, als Kriterien für das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung heranzuziehen.

Zudem wurde die Begutachtungsanleitung an den aktuellen Stand der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses und an das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (ALBVVG) (ALBVVG) angepasst, welches
am 27. Juli 2023 in Kraft getreten ist. Das ALBVVG sieht unter anderem vor, dass die Krankenkasse innerhalb von zwei Wochen über einen Antrag auf Cannabisarzneimittel entscheiden muss. Schaltet die Krankenkasse den Medizinischen Dienst ein, verlängert sich die Entscheidungsfrist auf vier Wochen, wobei der Medizinische Dienst seine Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen abgeben muss.

Seit dem 1. April 2024 unterliegen die meisten Medizinalcannabis-Produkte nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz. Der Verkehr dieser Arzneimittel wird seitdem durch das neu geschaffene Medizinalcannabisgesetz geregelt. Deshalb hat der Medizinische Dienst im Anschluss an die Genehmigung der Begutachtungsanleitung vom
2. April geprüft, ob diesbezügliche Anpassungen in der BGA notwendig sind. Da kein wesentlicher Änderungsbedarf besteht, wurden in der BGA lediglich leichte Anpassungen vorgenommen und in „Ergänzenden Hinweisen“ zur Begutachtungsanleitung erläutert.  

Die Begutachtungsanleitung konkretisiert die rechtlichen Vorgaben, damit die Zusammenarbeit der Krankenkassen mit dem Medizinischen Dienst effektiv und effizient strukturiert wird. Sie benennt Qualitätskriterien für die Gutachten und gewährleistet damit die sozialmedizinische Beratung und Begutachtung nach einheitlichen Kriterien. Die Begutachtungsanleitung ist für die Krankenkassen und die Medizinischen Dienste verbindlich.

Hintergrund

Das Gesetz zur Verordnung von Medizinalhanf ist am 10. März 2017 in Kraft getreten. Seitdem darf jeder Arzt und jede Ärztin Cannabis zu medizinischen Zwecken verordnen und Patientinnen und Patienten, die gesetzlich krankenversichert sind, haben einen Anspruch darauf, dass ihre Krankenkasse unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für Medizinalhanf sowie für die Cannabinoide Dronabinol und Nabilon sowie für Extrakte aus Cannabis übernimmt.

Im Gesetz ist zudem festgelegt, dass die erste Verordnung von der Krankenkasse genehmigt werden muss. Die Krankenkassen dürfen die Verordnung nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen. Sie können für die Entscheidung, ob sie die Leistung übernehmen, den Medizinischen Dienst einschalten – sie müssen dies aber nicht.

Die bisherige Begutachtungsanleitung mit Stand 10. Februar 2020 war seinerzeit vom GKV-Spitzenverband als Richtlinie erlassen worden. Mit dem MDK-Reformgesetz im Jahr 2020 hat der Gesetzgeber den Erlass von Richtlinien für die Begutachtung der Medizinischen Dienste zum
1. Januar 2022 auf den Medizinischen Dienst Bund übertragen.

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Elke Grünhagen

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